Am 3. Tag unserer Tour erwartet uns ein strahlend blauer Himmel als ob am Vortag nichts gewesen wäre. Endlich können wir einen Blick auf die umliegende Bergwelt werfen, von welcher wir gestern gar nichts mitbekommen hatten.
Auch heute starten wir wieder sehr früh, da wir die längste Etappe der Tour vor uns haben. Die Tour startet gemächlich und ohne nennenswerte Höhenunterschiede, so dass wir uns so richtig schön warmlaufen können. Während sich langsam die Sonne hinter den Bergen blicken lässt, ziehen noch vereinzelte Nebelschwaden an uns vorbei. Auch treffen wir mehrere Trailrunner – dies scheint eine beliebte Laufstrecke zu sein.
Wir erreichen den Col des Essets, von welchem wir einen schönen Blick zum Genfersee und zu den Dents du Midi haben (diese Tour folgt dann im darauffolgenden Jahr). Der folgende Weg ist steil und rutschig vom Regen des Vortages und zahlreiche Salamander zieren den Weg. An Felsen vorbei erreichen wir die Alp La Vare – eine kleine Siedlung mit mehreren Häusern, welche Verpflegungsmöglichkeiten und Touristenlager bietet. Dieser Ort würde sich perfekt für eine Pause eignen, wenn man nicht wie wir noch einen langen Tag vor sich hat.
Wir passieren eine weitere Alphütte mit Übernachtungsmöglichkeit, die sehr gemütlich ausschaut, aber stark nach Ziegen riecht. Wir folgen dem weiterhin steilen Weg hinab ins Tal zum tiefsten Punkt der Wanderung – Pont de Nantes. Hier gibt es eine weitere Postautohaltestelle und somit einen möglichen Einstieg in die Umrundung. In der Auberge du Pont de Nant legen wir einen kurze Teepause ein – auch hier gäbe es eine weitere Übernachtungsmöglichkeit.
Von hier aus folgen wir einer Forststrasse vorbei am Alpengarten von Thomasia und steigen langsam im Tal auf. Wir treffen hier vermehrt Tageswanderer, die wir wir die interessante Flora bestaunen. Einige der Bäume sind über 100 Jahre alt. Nach einer Weile erreichen wir den Weiler Nant und erreichen eine riesige Weidefläche mit zahlreichen, glücklich dreinschauenden Kühen. Links haltend (nicht durch den Wegweiser zum Col ries Pauvres verwirren lassen) erreichen wir den Fuß einer Steilstufe, welche hoch nach Ayers führt.
Es beginnt der spannendste und abwechslungsreichste Teil der heutigen Wanderung, der es aber wirklich in sich hat. Nachdem die Steilstufe überwunden ist, erreichen wir das Grand Vallée mit Blick auf eine riesige Muräne. Und genau diese müssen wir nun in den nächsten 60 Minuten emporsteigen. Der Weg will kein Ende nehmen und wir spüren, dass wir bereits den ganzen Tag unterwegs sind. Uns kommt ein älterer Herr mit einem riesigen Rucksack entgegen. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt uns, dass er ein 1-wöchiges Trekking unternimmt inklusive Zelt und Verpflegung und er die letzte Nacht auf dem Pass verbringen wollte. Da er aber genauso wie wir in den Regen und Sturm kam, verzog er sich in die naheliegenden ehemaligen Soldatenunterkünfte, an welchen wir später nach dem Aufstieg vorbeilaufen werden.
Der Aufstieg zum Col des Perris Blancs ist schweissauftreibend, aber dann doch endlich geschafft. Hier oben pfeift aber ein starker Wind, so dass an eine gemütliche Verschnaufpause kaum zu denken ist. Wir queren in Felsbändern, teils versichert, teils nicht an den Soldatenunterkünften vorbei und fühlen uns wie in einer anderen Welt hier oben. Gelegentlich erhaschen wir einen Blick ins Tal durch die vorbeiziehenden Wolken und steigen langsam im Geröll bergab.
Es folgt ein sehr steiler Abstieg zum Vire des Boeufs, der uns nach diesem langen Tag volle Konzentration abverlangt. Die darauffolgende Querung ist toll im Felsen angelegt und bietet noch einmal Aktion!
Die Cabane de la Tourche liegt spektakulär wie auf einem Balkon und thront über dem Tal. Für unsere letzte Übernachtung ergattern wir sogar eines der kleineren Zimmer in dieser wirklich modernen Hütten. Als am Abend dann die Wolken aufreissen, erhaschen wir sogar einen Blick auf den Mont Blanc – für mich das erste Mal aus dieser Nähe.