Der Piz Palü erstreckt sich auf eine Höhe von 3.900 Metern und befindet sich in der bekannten Bernina-Gruppe. Er liegt an der Grenze zwischen dem Kanton Graubünden und der italienischen Provinz Sondrio/Lombardei. Diese Hochtour zum Piz Palü ist aufgrund der atemberaubenden Landschaft, der vielfältigen und schönen Aufstiegsroute sowie der einfachen Erreichbarkeit des Ausgangspunkts bei Bergsteigern aus der ganzen Welt extrem beliebt. Der Startpunkt, das Berghaus Diavolezza (2.978 m), kann bequem mit der Bahn erreicht werden. Viele besteigen den Piz Palü als Übungstour für den Piz Bernina oder gar in Kombination mit diesem.
Mit dem Piz Palü habe ich noch eine Rechnung offen. Bereits im Jahr 2011 habe ich einen Versuch gestartet, mit einer Bergschule diesen Gipfel zu besteigen. Aufgrund der wirklich miesen Wetterverhältnisse mussten wir damals aber am Skidepot umkehren und haben von der Landschaft damals beim Aufstieg so gut wie nichts gesehen gehabt. Bereits damals war ich aber von der unglaublichen Landschaft beeindruckt und so nahm ich mir vor, diesen Gipfel dann doch noch einmal zu probieren, wenn es sich ergeben sollte und das Wetter passen würde.
Die Anreise von Zürich ist schon eine halbe Weltreise, aber landschaftlich grandios. Spätestens beim Umsteigen in die Rhätische Bahn stellt sich ein Urlaubsgefühl ein und der letzte Abschnitt mit der Seilbahn hoch zur Diavolezza ist sicherlich das Highlight der Anreise. In der Ferne kann ich die Segantinihütte und den Piz Languard erblicken – beides fantastische Wanderungen, die ich in dieser Gegend bereits unternommen habe. Kurz vor der Diavolezza kommen wir an eine traurigen Stück Gletscher vorbei, welches im Sommer abgedeckt wird, um für die Skisaison erhalten zu bleiben.
Das Berghaus Diavolezza hat eine grossartige Lage direkt unterhalb der mächtigen Berninagruppe und bietet für einen Bergsteiger einen ungewohnten Luxus. Die Preise ähneln denen einer Berghütte, aber es gibt Duschen, frisch aufgebackene Croissants und Orangensaft zum Frühstück und ein herrlich leckres 3-Gänge-Menü zum Abendessen. Wir kommen uns hier immer ein wenig fehl am Platz vor, wenn wir hier übernachten, da es sich überhaupt nicht nach einer Bergsteigerunterkunft anfühlt. Hinzu kommt der unglaubliche Blick aus den Panoramafenstern auf die Berninagruppe, die man auch direkt von einem Jacuzzi geniessen kann.
Obwohl wir am Anreisetag nicht das beste Wetter erwischt haben, ist für unseren Gipfeltag das perfekte Bergwetter vorhergesagt, so dass unser Piz-Palü-Tour nichts im Weg steht. Nach einem frühen, aber leckren Frühstück beginnen wir die Tour mit einer kurzen Wanderung unterhalb des Gletschers. Wir laufen im Schein unserer Stirnlampen an der Ostseite des Piz Trovat und erreichen nach ca. 20 Minuten die Fuorcla Trovat (3017m). Wir sind hier bereits in unmittelbarer Nähe des Pers-Gletschers (Vadret Pers), aber der direkte Abstieg von hier wird nicht mehr empfohlen. So führt der Weg ca. 400m weiter am Hang entlang und führt dann dort auf den Gletscher. Hier legen wir die Steigeisen an und bereiten uns auf den langen Aufstieg vor.
Bald schon dämmert es und die Umgebung wird langsam immer besser wahrnehmbar. Wie immer ist es magisch zu beobachten, wie sich die Sonne immer mehr hinter den Bergen hervorschiebt und den Gletscher anstrahlt.
Wir haben perfekte Verhältnisse erwischt, sowohl in Bezug auf das Wetter als auch auf die Schneeverhältnisse. So kommen wir sehr gut voran. Da wir an einem Wochentag unterwegs sind, sind kaum andere Bergsteiger anzutreffen und so können wir in kompletter Einsamkeit heute den Berg geniessen.
Wir laufen an der Nordwest-Wand des Piz Cambrena entlang (eine äusserst reizvolle Hochtour) und schon bald laufen wir in Zick-Zack-Linien um die Spalten des Cambrena-Abbruches.
Dieser Abschnitt ist wohl auch den meisten von Fotos her bekannt und eine der Schlüsselstellen. Vor allem bei sehr heissen Verhältnissen können die Schneebrücken an dieser Stelle zum Problem werden, da sich hier riesige Gletscherspalten befinden.
Nachdem wir dieses Stück erfolgreich passiert haben, erreichen wir über Firnhänge das sogenannte Skidepot auf 3400m, eine flache Mulde, an welchem wir eine Pause einlegen. Beim letzten Versuch sind wir damals knapp bis hier gekommen, aber ich kann fast nichts wiedererkennen (die Sicht damals war durch den Wind extrem eingeschränkt). Heute können wir uns gemütlich niederlassen, eine Kleinigkeit essen und den Ausblick bewundern.
Ab hier beginnt ein unglaublich steiler Aufstieg, bei welchem man froh ist, wenn man sich ordentlich auf die Tour vorbereitet hat und immer schön auf dem Stepper war. Beim Hang müssen normalerweise noch einige Spalten umrundet werden, aber heute ist alles zugeschneit und wir können daher den direktesten Weg nach oben nehmen, bis wir den Sattel auf 3729m erreicht haben. Wer hätte gedacht, dass dies hier 300 Höhenmeter sind, vom Rastplatz aus sah der Höhenunterschied gar nicht so markant aus.
Der letzte Abschnitt der Tour ist wahrhaft ein Genuss – der Gipfel ist bereits sichtbar und wir laufen auf einem immer schmaler werdenden Grat in Richtung Ostgipfel des Piz Palü. Hier geht es wirklich so richtig schön steil bergab, aber der Grat ist breit genug, um noch gemütlich zu wirken. Nach einem letzten Aufschwung haben wir den breiten, flachen Gipfel erreicht und sind komplett alleine.
Wow – was für ein Gefühl! Nach 10 Jahren hat es nun endlich doch noch geklappt und ich stehe auf dem Gipfel des Piz Palü. Das 360-Grad-Panorama ist wirklich umwerfend und entschädigt für die Mühen des Aufstiegs (Dauer ca. 4-5 Stunden).
Der Abstieg verläuft auf der Aufstiegsroute, so dass wir uns nach einer ausgiebigen Pause wieder an den Grat wagen.
Auch aus dieser Perspektive sieht der Grat etwas einschüchternd aus, aber am heutigen Tag kann man hier bei super Verhältnissen ziemlich entspannt langlaufen. Es folgt der steile Abstieg zum Skidepot, wo uns die ersten anderen Bergsteiger entgegenkommen.
Beim Abstieg wirkt der Cambrena-Eisbruch viel eindrücklicher, weil einerseits vom Licht her mehr zu sehen ist als am Morgen und die Perspektive von oben eine noch viel spannendere ist als beim Aufstieg.
Beim Abstieg wirkt der Cambrena-Eisbruch viel eindrücklicher, weil einerseits vom Licht her mehr zu sehen ist als am Morgen und die Perspektive von oben eine noch viel spannendere ist als beim Aufstieg.
Bald schon verlassen wir den Persgletscher, legen die Steigeisen ab und nehmen die letzten Meter auf dem Wanderweg in Angriff. Wir sind mittlerweile seit ca. 7 Stunden unterwegs und so langsam macht sich Müdigkeit breit.
Wir können nun all die Fotos nachholen, die wir gestern wegen des trüben Wetters nicht machen konnten und sind begeistert von der Landschaft.
Als wir auf der Diavolezza ankommen, können wir unser Glück fast nicht fassen – wir haben nicht nur den perfekten Blick auf die Berninagruppe, sondern können auch den Piz Palü wolkenfrei sehen. Wahnsinn, da oben standen wir gerade noch vor ein paar Stunden!
Nach einer weiteren Pause im Berggasthaus holen wir unser zurückgelassenes Gepäck ab und nehmen die Seilbahn hinab. Wir haben noch eine lange Heimfahrt vor uns und werden auf dieser wohl die ganze Zeit ein Grinsen im Gesicht haben…
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